Nach dem Brand des Renaissance-Baus im Jahr 1837 wurde das Weimarer Rathaus bis 1841 nach dem Entwurf von Heinrich Hess, etwa 10 Meter nach Westen versetzt, neu errichtet. Der neogotische Bau prägte mit einer steinsichtigen Fassade lange Zeit die Westseite des Marktplatzes.
Als 2010 das VOF-Verfahren mit Stegreifentwurf zur Auswahl der Planer ausgelobt wurde, war das Rathaus 159 Jahre alt, denkmalgeschützt, noch nie grundhaft saniert worden, brandschutztechnisch eine Katastrophe, für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich und technisch immer noch auf dem Stand Mitte 20. Jahrhundet. Eine Arbeitsgemeinschaft unseres Architekturbüros mit gildehaus.partner überzeugte die Jury mit praktischen Lösungen der anstehenden Probleme:
An der Rückseite (West) soll ein Anbau über alle Geschosse neben der Fluchttreppe und einem Aufzug auch die wesentlichen Technikräume, die Sanitärräume und die Teeküchen aufnehmen. Dadurch können historische Raumfolgen erhalten bleiben, partielle Raumgewinne erzielt und Funktionsabläufe im Bestandsbau verbessert werden.
Am Hauptzugang vom Markt soll das zur Bauzeit gehörende Podest unter dem Altan wieder hergestellt werden. Hier wird, neben der Rekonstruktion der nach Norden und Osten zum Markt herabführenden Stufen, über eine südliche Rampe ein „Zugang für Alle“ an zentraler Stelle barrierefrei entstehen.
In Verbindung mit der substanzschonenden Sanierung des historischen Gebäudes und dessen funktioneller Ertüchtigung war auch eine „vorsichtige Annäherung an das bauzeitlich gefasste Erscheinungsbild“ angekündigt. Gestützt auf Archivrecherchen und neuere restauratorische Befundungen am eingerüsteten Objekt konnte die bauzeitliche Erscheinung eindeutig herausgearbeitet werden. Die mit Denkmalschutzbehörden und Bauherr abgestimmte Lösung bedeutete schließlich einen Bruch mit der seit Ende des 19. Jahrhunderts betriebenen materialsichtigen Freilegung der Natursteinfassade. Das Ergebnis, eine helle, monochrome Fassung, kann jetzt als denkmalpflegerischer und stadtgestalterischer Gewinn für Weimar gewertet werden.